NEUE GEDICHTE
A. Jagenholz
Geschick
Klettert langsam den Himmel hinauf
flüchtiges Fleisch, gekrümmt von Geist.
Flimmert wie Augen,
die Toten begegnen.
Und Lücken täuschen als Licht die Welt.
Versunkene Schatten
im Maul des Seins.
Lässt Spuren zurück, gekratzt in Stein.
(Neue Gedichte, 2017, © A. Jagenholz)
Versuchung
Gefühltes Spiegelkabinett.
Und wund‘re mich,
dass unter Leichtigkeit an Schritten,
obwohl die Welt sich zeigt und wiederholt,
das Ganze dennoch knirscht.
(© A. Jagenholz/Neue Gedichte)
Der Tag
Ruhen in einer Wolke.
Das Sein auf Sand gebaut.
Zwei Burgen gleich,
die stoisch der Wind zerfrisst.
Dort rauscht das Meer
wie Nebelschwaden, aus denen Schiffsskelette tauchen,
oder Fackelspritzer, die der Kälte trotzen,
von Wellen verschlungen.
Wir blicken so lange ins Wasser,
bis wir zu Quallen werden,
sich blähend aufsteigend
gen Himmel.
Die Köpfe erhoben
steht alles still.
An uns‘ren Tentakeln
tropft die Zeit.
(© Annelie Jagenholz/Neue Gedichte)
Widerhall
Und dort im Niemandsland, wo ich
erneut auf deine Augen treffe,
das Anderswo, das du betrachtest,
wenn windzerstäubt ich mich verliere
im Abgrund deiner Schwermut.
(© A. Jagenholz/Neue Gedichte)
Halbschatten
Verpasste den Zugang zum Labyrinth,
wo Einsamkeit als mürrisches Kind
in Tunneln rotiert und Wände um Wände
mit Träumen beschrieben Finsternis sieben
in Abdrücken der Schlafwandler mündet,
die Sehnsucht neuer Tage kündet,
die mir nur träge Sphinx-Gebärde
kein Wunsch mehr war
zu finden.
(© A. Jagenholz/Neue Gedichte)
Gleichnis
Ich wollte über Nächte schreiben,
die ruh‘n wie leere Häfen.
Am Bug der Schiffe klatscht das Wasser
als tausendalter Höhlenklang
und Windgeschichten setzen Segel
auf endlose Umkreisungen.
Wenn Wort verloren alles wirkt
wie nasse, glatte Steine.
(© A. Jagenholz/Neue Gedichte)
Erwachen
Mücken schwirren unbemerkt
in leichten Körpern durch die Stoffe
und wissen nicht
von Träumen, Schäumen,
in denen Königreiche schlummern,
oder von Wahngestalt Verzweiflung,
die Draht im Magen Knoten strickt,
wenn aus dem lichten Schlaf wie Schreie
durch leeres Netz der Morgen hallt.
(© A. Jagenholz/Neue Gedichte)