Koestler



Arthur Koestler, geboren am 05.09.1905 in Budapest und durch Selbstmord aus dem Leben geschieden am 03.03.1983 in London, umstrittener Schriftsteller und Zionist, Präger der Holon-Theorie (die bei Wilber dann vertieft wird), Geliebter der Beauvoir, Freund von Orwell, der dazu noch etliche Sprachen fließend sprechen und schreiben konnte, trat mit sechsundzwanzig Jahren der Kommunistischen Partei bei und verließ sie mit dreiunddreißig Jahren, enttäuscht über die Maßnahmen und Säuberungen im Namen der Sache. Er bezeichnet diese Zeit als die beste und glücklichste seines Lebens, da der Zusammenhalt, das Streben auf ein besseres Ziel zu, die gemeinsame Arbeit (das Ich wird durch das Wir ersetzt) und die bedingungslose Hingabe die Menschen miteinander verband, im Glauben, für eine höhere Sache zu kämpfen.


  • Nie zuvor oder nachher schien das Leben so übervoll an Sinn wie während dieser sieben Jahre. Sie hatten die Überheblichkeit eines schönen Irrtums über die schäbige Wahrheit.

Als Koestler dann aus der Partei austrat, fühlte er sich verlassen. Wo er zuvor das Schreiben als Mittel für die Sache ansah, wurde das Schreiben ihm nun Trost (vergleiche seine Tagebücher). Er sagt, dass Exrevolutionäre grundsätzlich dazu neigen, beim Bruch mit der Partei entweder ins andere Extrem überzuwechseln oder sich zu einer Religion zu bekehren. Er zog das Schreiben vor, schrieb seinen Roman „Die Gladiatoren“ zu Ende und machte sich dann an „Sonnenfinsternis“, seiner Abrechnung mit den falschen Idealen dieser Partei.

Die Gefahr, dass die Ideen-Schöpfer auf einmal ihren Henkern (der neuen Generation) gegenüberstehen, die mit der ganz genau gleichen Idee durchtränkt sind, hat Koestler hervorragend ins Bild gesetzt, auch die Aufopferung großer Revolutionäre, deren Geständnisse den Menschen nicht einleuchteten, sich für die Sache schuldig zu bekennen (und gegen die eigene Eitelkeit). Der Roman dringt tief in die Atmosphäre ein, gerade weil Koestler auch vertraut mit dem Inneren der Partei war und den wesentlichen Kern kannte. Der Wert des Individuums ist in der sozialen Gleichung gleichzeitig null und unendlich, das Unendliche ist dabei eine politisch verdächtige Quantität, das Ich eine verdächtige Qualität.

Das Manuskript „Sonnenfinsternis“, das Koestler eigentlich in Deutsch geschrieben hat und das er bereits ins Englische übertragen und nach London verschickt hatte, wurde bei einer Hausdurchsuchung ganz nach dem Motto von Edgar Ellen Poe, dass deutlich sichtbare Dinge am seltensten Verdacht erregen, von der Polizei nicht mitgenommen, da es offen auf dem Schreibtisch lag, alle anderen Dokumente wurden beschlagnahmt. Koestler wurde dennoch verhaftet und die deutsche Version ging verloren. Während er im Gefängnis saß, wurde sein Roman mit dem Titel „Darkness at noon“ veröffentlicht. Die deutsche Fassung wurde dann wieder aus dem Englischen übertragen.


Sonnenfinsternis


  • Wenn man Geschichte in Zahlen ausdrücken könnte, wieviel wog die Summe von zweitausend Alpträumen...?


Koestler war einer der ersten Schriftsteller, der sich mit den Grausamkeiten unter Stalin beschäftigt und ein kritisches Buch darüber geschrieben hat, das bis heute jenen Schrecken und jene Ungerechtigkeit verdeutlicht, die unter dem Regime gang und gäbe waren. „Sonnenfinsternis“ wurde auch von Solschenizyn gelobt.

Der Protagonist Rubaschow wird verhaftet und mit verschiedenen Politischen eingesperrt. Zuvor träumte er von einer anderen Verhaftung im Ausland, wo er gefoltert und fast umgebracht wurde, dennoch nicht zum Verräter geworden ist und dafür einen Orden für tapferes Verhalten bekommen hat. Nun ist er erneut hinter Gittern, diesmal aber im eigenen Land.

Rubaschow ist zwar politischer Gefangener, allerdings kein Opfer, sondern gehörte selbst jener „revolutionären“ Partei an, war Mitglied des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei und diente unter Nummer Eins (wie Stalin hier genannt wird), jenem, dessen Paranoia so vielen Menschen aus den eigenen Reihen das Leben kostete, wo eine „Idee“ zur Tat wurde und sich dann über die Massen verselbstständigte.

Das "physische Liquidieren", wie man unter der politisch vereinten Ansicht statt Hinrichtung sagt, war für Rubaschow nie fassbar, der gleichfalls Menschen geopfert und in den Tod geschickt hatte, um die Partei zu säubern und ihre Stärke nicht durch „Verräter“ schwächen zu lassen, der geschwiegen hatte oder Schuldbekenntnisse unterschrieb, um seine eigene Haut zu retten und der Sache weiter dienen zu dürfen, dies immer auch auf Kosten anderer Leben, da die Geschichte zeigen würde, ob man gerechterweise einige Menschen geopfert hatte, um eine bessere Welt zu schaffen, in der niemand mehr geopfert würde – wo gepeitscht wird, damit nie wieder ein Mensch ausgepeitscht wird -, so die Überzeugungen.
Jetzt allerdings ist der Tod für ihn kein Mysterium mehr, wo er selbst eingesperrt ist und dem Verlauf einer Exekution beiwohnt, besser gesagt, dem Gang in den Tod davor, wo ein alter Kamerad an seiner Zelle vorbeigeschleift wird und nur noch ein Häufchen Elend ist.
Der Tod hat nun keine romantischen Aspekte mehr (geopfert für die höhere Sache). Wo er immer eine logische Konsequenz darstellte, war sein Charakter gleichfalls abstrakt. Der Akt des Sterbens selbst aber war Rubaschow nie in die eigene Vorstellung gerückt. Bis jetzt.

Verhören tut ihn ausgerechnet ein sehr guter und alter Freund, der die gleichen Überzeugungen teilt, während Rubaschow allmählich zu Raskolnikow wird und seine Tat hinterfragt, während Iwanoff, den er im Krieg vor dem Selbstmord bewahrte, immer noch ganz und gar hinter der Partei und der Revolution steht, Rubaschow jedoch einen Ausweg durch Geständnis bietet, damit er nun seinerseits ihm das Leben retten kann. Sie gehören beide der "alten Garde" an, jenen, die halfen, die Idee zu kreieren und in die Tat umzusetzen, mit dem Blick auf die alte Welt, die sie neu strukturieren wollten. Rubaschow aber ringt nun mit sich selbst. Er muss all das logisch durchdenken, ruft sich eine ehemalige Sekretärin ins Gedächtnis, die er in den Tod geschickt hat, und fragt sich, ob er mit den heutigen Kenntnissen und der jetzigen Stimmung noch einmal so handeln würde.

Nach dem Lesen von Dostojewskis „Brüder Karamasow“ ist „Sonnenfinsternis“ von Koestler eine gute Auseinandersetzung mit eben jener Situation des Opfern von Menschenleben für eine bessere (dabei fiktive) Zukunft, die Idee, die über den Menschen erhoben wird und durch die er, laut Dostojewski, in eine andere verzerrte und befremdliche Zukunft schlittert und damit gegen das Menschsein handelt. Jener Bau der Welt, erbaut mit dem Leid und Blut nur eines einzigen Geschöpfes, kann nicht auf einem festen und sicheren Fundament stehen. Es wird immer wacklig bleiben, wenn es sich vom Leid der Menschen nährt und über deren Knochen entsteht. (Vergleiche Iwans Einleitung zu „Der Großinquisitor“ in „Die Brüder Karamasow“.)
So hat es die katholische Kirche (Inquisition) gemacht, so hat es der Kommunismus mit seinem Parteiensystem überboten und eine ewige Straße unschuldiger Leichen hinterlassen, um am Ende dann selbst in sich zusammenzufallen.

Bei Koestler fragt Rubaschow Iwanoff, ob er „Raskolnikow“ gelesen hätte, worauf Iwanoff erklärt, in der Revolution hätten solche Schuld und Sühne – Hinterfragungen keinen Sinn, der Zweck heilige die Mittel, alles andere wäre sentimentales Gefasel. Die Welt hatte ihr Abbild und auf dieses sei zu reagieren, nicht auf die innerliche Stimme. Gewissen hätte in der Revolution nichts zu suchen, und zwar im Namen eines „höheren Gewissens“.

Auf Befehl der Partei wäre Raskonikows Handlung nach Iwanoff gerechtfertigt gewesen und wäre nie hinterfragt worden.


  • „Seit der Erfindung der Dampfmaschine“, so Iwanoff, „befindet sich die Welt in einem permanenten Ausnahmezustand; Kriege und Revolutionen sind bloß der sichtbare Ausdruck dafür.“


Das würde rechtfertigen, für was sie weiterhin kämpfen. Rubaschow aber erinnert sich, dass Raskolnikow entdeckte, dass zweimal zwei nicht vier ergibt, wenn die mathematischen Größen lebende Menschen sind. Aus bestimmten Voraussetzungen erfolgen also nicht immer auch logische und notwendige Konsequenzen, die keinerlei Verlust nach sich ziehen.
Bei Raskolnikow ist es eine alte Wucherin, bei Rubaschow aber ist es eine arme Sekretärin, deren Verwandtschaft verdächtig war. Das Recht zu töten bei dem einen, der durch seine Handlung zu seinem Verbrechen wurde (gleichgültig, an wem er sie vollzog und ob die Alte mit ihren Betrügereien es nun verdient hätte) ist ein anderes bei dem anderen, der für die Partei zugestimmt hat, die Frau, die auch in seinem Bett lag, zu opfern (und die es ganz sicher nicht verdient hat und völlig unschuldig war).

Hier, an der Wirklichkeit gemessen, die in Koestlers Roman nur zur Erzählung gestaltet ist, sind Dostojewskis Befürchtungen wahr geworden. Seine Zweifel am Tun der nach ihm folgenden Generationen drückten gerade das aus, was dann auch unweigerlich eintrat. Ein über Leichen Gehen für Abstraktionen, in Aktionen, die gleichfalls nur abstrakt erfasst wurden. Jeder wusste, dass Menschen gefoltert und getötet wurden, jeder wusste aber auch, dass er gleichfalls in diesen Sumpf geriet, sobald er dagegen aufbegehrte. Eine perfekte Schweige-Maschinerie, die Stalin mit den Massenmorden und mit der Zwangsarbeit kreierte (zwanzig Jahre Zwangsarbeit machen einen Menschen tatsächlich zu einem Rip van Winkle), als ein Sich-Ergeben in die Umstände und den grausamen Prozess der politischen Maßnahmen.
Auch Rubaschow weiß, dass er sterben wird, wenn er das Geständnis bei Iwanoff nicht unterzeichnet, sich aber verkauft, wenn er es tut, um der Sache weiter zu dienen und diese nicht mehr zu hinterfragen. Seine logische Auseinandersetzung ist, ob er lieber sterben (und sich entziehen) oder leben und handeln kann (für das Experiment „Geschichte“). Auch er muss abschätzen, inwieweit sein Handeln gerechtfertigt ist und mit was es erkauft werden kann.
Im Sinne der Partei zu handeln, erfordert die gleiche Hinterfragung. Man kann nicht zwei Standpunkte vertreten, die Sache anerkennen, dann aber Rücksicht auf einzelne Menschenleben nehmen. Wer Macht und Verantwortung trägt, muss praktische Entscheidungen treffen, die der höheren Sache dienen. Will man Menschen retten, begeht man Verrat an der Sache. Der christlich humane Standpunkt hat in der Politik nach Iwanoff (und vorher auch nach Rubaschow) nichts zu suchen.

  • „Seitdem es Nationen und Klassen gibt, leben sie in einem chronischen Zustand der Notwehr, der sie zwingt, die praktische Anwendung des humanistischen Ideals auf bessere Zeiten zu verschieben.“


Gerade jene Konsequenz ist das eigentlich Erschreckende unter Stalins Regime. Die guten Absichten der Revolutionäre wurden zu einer Geschichte des Mordes, während sie dabei selbst der Sache zum Opfer fielen. Das Experiment lässt sich in der Geschichte nicht tausendmal wiederholen, wie es im Labor der Fall ist und die erstaunliche dynamische Kraft, die die Revolution freisetzte, die sich dazu noch verselbstständigte (dass jedes Argument im Sinne der Sache Sinn ergeben musste) ließ bald das alte Regime veraltet und erstarrt aussehen, warum dieses abgesetzt wurde und in den Reißwolf der Nachfolger geriet. All das kehrte sich gegen sich selbst und sprengte das eigene Innere.

Rubaschow zählt auf: Wir waren so konsequent, ...



  • ... dass wir im Interesse einer gerechten Landverteilung fünf Millionen Bauern und ihre Familien innerhalb eines einzigen Jahres vor Hunger krepieren ließen. So konsequent, dass wir, um die Menschheit von den Ketten der Lohnarbeit zu befreien, rund zehn Millionen als Zwangsarbeiter in die Arktis und in die Urwälder verschickten – unter Bedingungen, die denen der antiken Galeerensträflingen gleichen. So konsequent, dass wir, um einen Meinungsstreit zu schlichten, nur ein Argument kennen: den Tod…
    Wir sind so konsequent im Interesse der zukünftigen Generationen, dass wir der gegenwärtigen Entbehrungen in einem Ausmaß auferlegten, das die durchschnittliche Lebensdauer um ein Viertel verkürzt hat…
    Die willkürliche Macht in den Händen unserer Regierung ist unbeschränkt und beispielslos in der Geschichte; Presse-, Meinungs- und Bewegungsfreiheit sind so gründlich abgeschafft, als ob es niemals eine Erklärung der Menschenrechte gegeben hätte. Wir haben den gigantischsten Polizeiapparat der Geschichte aufgebaut, die gegenseitige Bespitzelung zu einer nationalen Institution erhoben und physische und geistige Folter zu einem wissenschaftlichen System ausgebaut. Wir peitschen die stöhnenden Massen des Landes einem theoretischen Zukunftsglück entgegen, das nur uns allein sichtbar ist. Denn die Kräfte dieser Generation sind erschöpft; sie wurden in der Revolution verausgabt; denn diese Generation hat sich weißgeblutet, und alles, was von ihr übrigblieb, ist eine stöhnende, dumpfe, apathische Masse von Opferfleisch. Dies sind die Konsequenzen unserer Konsequenz.



Iwanoff stören die Toten nicht, die dem Zweck geopfert werden.


  • „Die Natur ist großzügig mit ihren sinnlosen Experimenten an der Menschheit, und du wagst es, der Menschheit das Recht abzusprechen, an sich selbst zu experimentieren?“


Wie die Naturkatastrophen etliche Leben kosten, so kostet die Revolution ihre Leben. Das sind die Bedingungen solcher Bewegungen und Erneuerungen.


  • Anscheinend befinden wir uns in einer Pendelbewegung der Geschichte, die vom Absolutismus zur Demokratie, von der Demokratie zurück zur absoluten Diktatur führt.


Jede Veränderung, jeder technische Fortschritt, der allzu sprunghaft ist, lässt den geistigen Entwicklungsstand der Massen hinter sich. „Es dauert manchmal Jahrzehnte, manchmal mehrere Generationen, bis das Verständnisniveau des Volkes sich allmählich der geänderten Realität anpasst“. Das Maß der individuellen Freiheit hängt von der politischen Reife des Volkes ab. Hier zeigt sich, inwieweit ein Volk sich selbst regieren kann, ihre Güter zuteilt und Verständnis für die eigenen Strukturen aufbringt. Gleichgewicht herrscht also nur dann, wenn das Niveau des Volkes sich an die Realität angepasst hat.
Davor herrscht Gewalt oder Eroberung durch friedliche Mittel. Die relative Unreife der Massen erfordert eine führende Hand. Nach Rubaschow macht dieser Umstand eine absolute Regierungsform notwendig, warum er sich auch entschließt, (für die Idee) zu rekapitulieren, denn alles andere wäre Eitelkeit und nicht im Sinne des „Wir“.


  • Man muss sich die letzten Reste der Eitelkeit aus dem Leib brennen – und war nicht Selbstmord eine verkappte Form der Eitelkeit?



Man merkt schnell, dass Rubaschow ein Theoretiker ist, der sich alles logisch erklären will, zur Not mit mathematischen Berechnungen. Das Schreien und Heulen des zum Tode verurteilten Kameraden klingt ab und er widmet sich dem theoretischen Konstrukt, wie die neue Welt zu funktionieren hat und welche Opfer dafür nötig sind und an vielen Stellen hat er theoretisch auch recht.
Aber in einem System voll des Verrats ist auch ein Geständnis (Einsehen) gefährlich, selbst wenn er sich dafür Wiedergutmachung erhofft. Iwanoff wird durch Gletkin ersetzt, ein jüngerer und forscherer Typus mit ausgefeilteren und dennoch gleichen Überzeugungen, denn auch in der Revolution löst eine Generation die nächste ab, und die neue hat bereits wieder ein verändertes Gesicht.


  • Dies war die Generation, die erst nach der Sintflut zu denken begonnen hatte. Sie hatte keine Tradition und keine Erinnerungen, die sie mit der alten, versunkenen Welt verbanden. Es war eine Generation, die ohne Nabelschnur zur Welt gekommen war ...



Da der Leser beständig mit der Sicht eines Parteigetreuen konfrontiert wird, der jedoch an das alte Regime des Vorgängers glaubt und Nummer Eins nur als brutale, vielleicht notwendige, aber vorübergehende Erscheinung empfindet, nach der die Revolution ihren normalen Verlauf nehmen kann, ergeben viele Entscheidungen Sinn und erklären so manche Handlung. Denkt Rubaschow für die Partei, so kann er nachvollziehen, warum man ihn auf bestimmte Art und Weise verhört, erfasst die Notwendigkeit einer Brutalität in Uniform (die nichts vom höheren Sinn begreift, sondern nur ausführendes Organ ist, dem er jetzt selbst gegenübersteht), weiß um die Zurechtrückungen der Geständnisse und Aussagen. Das Geständnis Rubaschow erfolgt schließlich auch aus ganz anderen Gründen, als der Befrager annimmt, der glaubt, seine Methoden würden all das beschleunigen.


  • Wie konnten diese Neandertaler jemals begreifen, nach welchen Schuldbegriffen er seine eigenen Handlungen beurteilte, nach welchen Maßstäben er bemaß, was er die Wahrheit nannte?



Dennoch war Rubaschows Leben zu sehr von einer absoluten Idee erfüllt, dass er nicht einfach alles gestehen oder alles leugnen kann. Punkt für Punkt und viele schlaflose Nächte wird er nun einem Verhör unterzogen, das genau die Notwendigkeiten an ihm anwendet, die seinem Typ und Charakter entspricht, daher keine physische Gewalt benutzt, sondern ihn an seinem Stolz und seinen Überzeugungen packt. Gletkin argumentiert am Ende mit Zitaten aus Rubaschows eigenen Schriften.



  • Nun musste er erkennen, dass Machtlosigkeit ebenso viele Abstufungen hat wie Macht, dass die Niederlage die gleichen schwindelerregenden Ausmaße annehmen kann wie der Sieg; und dass ihr Abgrund bodenlos ist.


Er sehnt sich nach der „Inschrift vom Friedhof der Besiegten“, nach dem Schlaf.

Letztendlich klagt Rubaschow sich selbst an und opfert sich auch selbst. Nicht seine Handlung für die Partei, sondern seine Blindheit ihrer Entwicklung wegen, die er zwar sah, aber nicht wahrhaben wollte, sind der ausschlaggebende Punkt seiner Resignation.

Beeindruckend ist, dass bei Koestler (besonders in seinem Roman „Gottes Thron steht leer“) gerade die Faszination für die kommunistische Bewegung hervorgehoben wird, um nachvollziehen zu können, warum ihr so viele Menschen folgten und auch bewusst die Opfer in Kauf nahmen und warum diese Bewegung sich so lange aufrecht erhielt und am Ende scheitern musste.



 


(c) Annelie Jagenholz